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rund um das Thema Praxis-/Klinikhygiene  


 

 

 

BGH, Urteil vom 20. März 2007 - VI ZR 158/06 - OLG Koblenz


In seinem Urteil vom 20.03.2007 zeigte der BGH richtungsweisend Haftungsgrundsätze bei Hygienemeängeln auf.

 

Zum Tatbestand:

Die Klägerin nahm die Beklagten auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden wegen eines Spritzenabszesses in Anspruch.

Sie begab sich im Juni 1999 in die orthopädische Gemeinschaftspraxis der Beklagten. Der Be-klagte zu 1 setzte der Klägerin am 9. und 11. Juni 1999, der Beklagte zu 2 am 15. Juni 1999 jeweils eine Spritze im Nackenbereich. In der Folgezeit entwickelte sich ein Spritzenabszess, der eine zweiwöchige stationäre Behandlung erforderlich machte. Die Klägerin, die Leiterin eines Catering-Betriebes war und diese Tätigkeit zunächst wieder aufnahm, hat geltend gemacht, sie leide aufgrund des Spritzenabszesses an anhaltenden Schmerzen, Schlafstörungen und Depressivität und sei deshalb arbeitsunfähig. 

 Der Spritzenabszess beruhte auf einer Staphylokokken-Infektion. Ausgangsträger der Keime war die bei den Beklagten angestellte Arzthelferin H., die seinerzeit an Heuschnupfen litt und bei der Verabreichung der Spritzen assistierte. Gleichartige Infektionen traten zeitnah bei anderen Patienten in der Praxis auf, die ersten Fälle am 2., 8. und 10. Juni 1999.

 Das von den Beklagten Mitte Juni 1999 eingeschaltete Gesundheitsamt beanstandete die Hygieneprophylaxe in der Praxis.

 Das Landgericht hatte der Klägerin durch Grund- und Teilurteil ein Schmerzensgeld von 25.000 € zuerkannt, die bezifferten Schadensersatzansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und dem Feststellungsbegehren hinsichtlich der Ansprüche auf Ersatz materiellen Schadens entsprochen. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgten diese ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

 Der Senat bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts.

 

 Zur Begründung:

 In seinem Urteil wies der BGH auf folgende Haftungsaspekte hin:

Im zur Entscheidung anstehenden Fall stand fest, dass die Schädigung der Patientin weder aus einer Sphäre stammt, die - wie z.B. Risiken aus dem eigenen menschlichen Organismus - dem Patienten zuzurechnen ist, noch aus dem Kernbereich des ärztlichen Handelns herrührt. Das Risiko, das sich bei der Klägerin verwirklicht hatte, stammte vielmehr aus einem Bereich, dessen Gefahren ärztlicherseits objektiv voll ausgeschlossen werden können und müssen (so genannte voll beherrschbare Risiken).

Anders als im Bereich des ärztlichen Handelns, in dem grundsätzlich der Patient die Darlegungs- und Beweislast für einen von ihm behaupteten Behandlungsfehler sowie dessen Ursächlichkeit für den eingetretenen Gesundheitsschaden trägt, kommt bei der Verwirklichung von Risiken, die nicht vorrangig aus den Eigenheiten des menschlichen Organismus erwachsen, sondern durch den Klinikbetrieb oder die Arztpraxis gesetzt und durch sachgerechte Organisation und Koordinierung des Behandlungsgeschehens objektiv voll beherrscht werden können, der Rechtsgedanke des § 282 BGB a.F. (nunmehr § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) zum Tragen, wonach die Darlegungs- und Beweislast für Verschuldensfreiheit bei der Behandlungsseite liegt.

Die Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast auf die Behandlungsseite in Anwendung des Rechtsgedankens des § 282 BGB a.F. setzt dabei nicht voraus, dass die aus dem Klinikbetrieb oder der Arztpraxis stammende objektiv gegebene Gefahr für die Behandlungsseite im konkreten Fall erkennbar war.

Steht wie im Streitfall fest, dass sich ein aus diesem Bereich stammendes objektiv voll beherrschbares Risiko verwirklicht hat, ist es vielmehr Sache des Arztes oder des Klinkträgers darzulegen und zu beweisen, dass es hinsichtlich des objektiv gegebenen Pflichtenverstoßes an einem Verschulden der Behandlungsseite fehlt.

So hat der Senat z.B. dem Krankenhausträger und seinen Ärzten die Beweislast für die Gewähr einwandfreier Voraussetzungen für eine sachgemäße und gefahrlose Behandlung zugewiesen, wenn es etwa um folgende Fragen ging:

- den ordnungsgemäßen Zustand eines verwendeten Tubus,

- die Funktionstüchtigkeit des eingesetzten Narkosegeräts,

- die Reinheit des benutzten Desinfektionsmittels

- die Sterilität der verabreichten Infusionsflüssigkeit

- die unbemerkt gebliebene Entkoppelung eines Infusionssystems,

 All diesen Fällen ist gemeinsam, dass objektiv eine Gefahr bestand, deren Quelle jeweils festgestellt werden konnte und die deshalb objektiv beherrschbar war.

Für die Gefahr, die für einen Patienten von einer mit einem Bakterium infizierten Arzthelferin ausgeht, gilt nach Ansicht des Senats nichts anderes.

 Steht also fest, dass die Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervorgegangen sein muss, so hat der Krankenhausträger bzw. der Arzt für die Folgen der Infektion sowohl vertraglich als auch deliktisch einzustehen, sofern er sich nicht dahin gehend zu entlasten vermag, dass ihn an der Nichtbeachtung der Hygieneerfordernisse kein Verschulden trifft, er also beweist, dass alle organisatorischen und technischen Vorkehrungen gegen von dem Personal der Klinik oder der Arztpraxis ausgehende vermeidbare Keimübertragungen getroffen waren.

 Dafür genügt es nach Ansicht des Senats nicht, dass z.B. die Infizierung einer tätig gewordenen Arzthelferin für die Beklagten subjektiv nicht erkennbar war. Der Entlastungsbeweis erfordert vielmehr auch den Nachweis, dass im Übrigen die gebotene Sorgfalt gewahrt worden ist.

 Dies hatte das Berufungsgericht mit Rücksicht darauf verneint, dass in der Arztpraxis elementare Hygienegebote missachtet worden sind.

 So wurde nach den auf der Grundlage der Ermittlungen des Gesundheitsamts getroffenen Feststellungen

 

-          das Hygieneverhalten der Arzthelferinnen nicht in dem erforderlichen Umfang durch die Ärzte vermittelt und nicht überprüft

-          Desinfektionsmittel wurden nicht in ihren Originalbehältnissen aufbewahrt, sondern umgefüllt.

-          waren zwei von vier überprüften Alkoholen verkeimt vorgefunden

-          Durchstechflaschen mit Injektionssubstanzen über mehrere Tage hinweg verwendet

-          Flächendesinfektionsmittel mit einer langen Einwirkungszeit fehlerhaft zur Hautdesinfektion eingesetzt.

-          von den Arzthelferinnen vor dem Aufziehen einer Spritze die Hände nicht desinfiziert

-          Arbeitsflächen nicht, wie es geboten gewesen wäre, jeden Tag, sondern nur einmal wöchentlich desinfiziert.

 

Bei dieser Sachlage war die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der den Beklagten obliegende Entlastungsbeweis angesichts der festgestellten gravierenden Hygienemängel nicht geführt sei, aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

 Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass es unerheblich ist, ob die Ärzte die Infizierung der Arzthelferin hätten erkennen oder ob die Keimübertragung auch bei Anwendung aller zumutbaren Präventivmaßnahmen nicht hätte verhindert werden können. Die Einstandspflicht der Ärzte beruht vielmehr auf einem generell unzulänglichen Hygienemanagement, das ihnen im Sinne einer Fahrlässigkeit zuzurechnen sei. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die vorhandenen Versäumnisse die Schädigung der Patientin tatsächlich ausgelöst oder begünstigt hätten. Vielmehr reicht es aus, dass sich dies nicht ausschließen lasse.  

 

 

 

 

 

 

                      

 

 

 

 

 

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